Startseite Aktuelles Presseartikel: Interview mit Prof. Zieren zum Thema „Vitalstoffe für eine gesunde Schilddrüse“ für das PTA-Forum
Die Schilddrüse braucht nicht nur Jod, um gut zu funktionieren. Welche Vitalstoffe helfen, das Organ gesund zu erhalten und was Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen bei der Ernährung beachten sollten, erklärt Professor Dr. Hans Udo Zieren vom Deutschen Schilddrüsenzentrum.
Ohne Schilddrüsenhormone geht im Stoffwechsel fast nichts. Kaum eine Körperfunktion, bei der sie nicht mit im Spiel ist. Schilddrüsenhormone steuern die Verwertung von Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten und den Kalorienverbrauch. Sie regulieren die Festigkeit von Knochen und Nägel und das Wachstum der Haare und beeinflussen Nerven und Psyche. „Damit die Schilddrüse ihre Hormone in ausreichender Menge produzieren kann, ist sie auf die kontinuierliche Zufuhr bestimmter Stoffe über die Ernährung angewiesen, allen voran das Spurenelement Jod“, sagt Zieren gegenüber PTA-Forum. Jod ist ein wichtiger Grundstoff zur Herstellung der Schilddrüsenhormone, doch der Körper kann es selbst nicht herstellen. Mit der Nahrung gelangt es über den Magen-Darm-Trakt ins Blut. Dort stehen Transporter bereit, um den wertvollen Baustoff auf direktem Weg zur Schilddrüse zu bringen. 150 bis 200 Mikrogramm Jod benötigt ein Erwachsener jeden Tag und das ein Leben lang.
Schon das Kind im Mutterleib ist auf eine ausreichende Jodzufuhr angewiesen, damit es sich gesund entwickeln und wachsen kann. In der Schwangerschaft ist der Jodbedarf der werdenden Mutter deshalb erhöht. „Damit der Fetus von Anfang an gut mit dem Spurenelement eingedeckt ist, sollte am besten schon vor einer geplanten Schwangerschaft eine ausreichende Jodversorgung gesichert sein“, rät der Schilddrüsenexperte. Auch in der Stillzeit ist der Jodbedarf erhöht, denn das Baby ist darauf angewiesen, über die Muttermilch ausreichend damit versorgt zu werden.
Fehlt dem Körper Jod, drohen schwerwiegende gesundheitliche Folgen. Um trotz Jodmangel genügend Schilddrüsenhormone zu bilden, vergrößert sich die Drüse und es können sich Knoten bilden. Werden nicht mehr ausreichend Hormone hergestellt, spricht man von einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Diese wirkt sich auf die gesamte Leistungsfähigkeit aus – körperlich und geistig. Ausgeprägte Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Kälteempfindlichkeit, trockene Haut und Gewichtszunahme sind nur einige der typischen Folgen.
Wer in Deutschland lebt, nimmt nicht automatisch genügend Jod auf. Denn Deutschland zählt zu den jodärmsten Regionen in Europa. Als vor Tausenden von Jahren die Gletscher der Eiszeit schmolzen, wurde Jod aus den Böden gewaschen und ins Meer transportiert. Bis heute sind die Äcker und Weideflächen sowie das Trinkwasser arm an Jod. Deshalb reichen alleine Lebensmittel wie Getreide, Obst und Gemüse für eine gute Jodversorgung nicht immer aus. Bei vielen Bürgern macht sich das mit einem Kropf am Hals als sichtbares Zeichen der Schilddrüsenvergrößerung bemerkbar. Die Rede ist dann auch von einer Jodmangel-Struma.
Durch den Zusatz von Jod in Speisesalz und vielen Lebensmitteln wie Brot oder Wurst hat sich die Situation hierzulande verbessert. Doch nach wie vor ist die Versorgung nicht optimal: Laut Robert-Koch-Institut (RKI) sind mindestens ein Drittel der Bevölkerung nach wie vor nicht gut versorgt und nehmen täglich nur ein Drittel der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Menge an Jod auf.
Erst Anfang September dieses Jahres hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Informationsoffensive „Wenn Salz, dann Jodsalz“ gestartet, mit der sie anregen will, neben dem Verzehr jodhaltiger Lebensmittel wie Fisch auf die Verwendung von jodiertem Speisesalz zu achten. Während normales Speisesalz etwa 0,1 Milligramm pro Gramm Salz enthält, liefert jodiertes Speisesalz bis zu 25 Milligramm pro Kilogramm. 5 Gramm Jodsalz decken mit circa 100 Mikrogramm Jod etwa die Hälfte des Bedarfs eines Erwachsenen. Der Rest sollte über Lebensmittel zugeführt werden. Experten empfehlen, mindestens zweimal pro Woche Seefisch oder Meeresfrüchte zu essen. Beim Kauf von Brot oder Käse sollte man darauf achten, dass bei der Herstellung jodiertes Speisesalz verwendet wurde. Meersalz hat übrigens mit 0,1 bis 2 Milligramm Jod pro Kilogramm Salz nicht oder nur unwesentlich mehr des Spurenelements zu bieten als nicht-jodiertes Speisesalz. „Eine Supplementation von Jod kann auch für Gesunde sinnvoll sein, wenn sie wegen einer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise ein erhöhtes Risiko haben, in einen Mangel zu geraten“, sagt Zieren. Die Nahrungsergänzung sollte jedoch immer ärztlich abgesprochen werden. Wer gleich in die Vollen greift und übermäßig viel Jod aufnimmt, zum Beispiel durch den häufigeren Verzehr von Algen, tut sich damit jedoch keinen Gefallen. Langfristig kann eine zu hohe Jodaufnahme die Produktion von Schilddrüsenhormonen ausbremsen und zu einer Unterfunktion mit oder ohne Kropfbildung führen.
Auch wenn Jod im Fokus steht, wenn es um die Schilddrüse geht, sollte es an bestimmten anderen Vitalstoffen ebenso nicht mangeln. So wird das Spurenelement Selen für die Produktion von Schilddrüsenhormonen und deren Umwandlung von einer weniger aktiven in eine aktivere Form benötigt. Erwachsene sollten täglich 60 bis 70 Mikrogramm Selen aufnehmen. Auch Vitamin D beeinflusst die Schilddrüse. „Menschen, die einen zu geringen Vitamin-D-Spiegel aufweisen, haben häufiger erhöhte Schilddrüsen-Antikörper (TPO-AK), die bei der Hashimoto-Thyreoiditis eine Rolle spielen“ weiß Zieren. Das Risiko, dass bei einem Jodmangel eine Schilddrüsenunterfunktion auftritt, steigt zudem, wenn dem Körper gleichzeitig zu wenig Vitamin A zur Verfügung steht.
Ist der Körper gut mit allen Vitalstoffen versorgt, hat er die besten Voraussetzungen, dass die Schilddrüse gesund bleibt und der Stoffwechsel rund läuft. Doch auch mit einer ausgewogenen Ernährung lassen sich Funktionsstörungen nicht völlig ausschließen. Denn auch eine genetische Disposition oder Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Die Ernährung kann aber auch viel bewirken, wenn sich bereits Probleme mit der Schilddrüse eingestellt haben. Prinzipiell gilt, dass sie bei Schilddrüsenerkrankungen individuell ärztlich abgestimmt werden sollte.
Wurde eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) diagnostiziert, zum Beispiel bei der Basedowschen Erkrankung, stellt die übliche Aufnahme von Jod über die Ernährung kein Problem dar. Auch auf jodiertes Speisesalz brauchen Betroffene nicht zu verzichten. Allerdings sollte auch nicht mehr Jod aufgenommen werden als empfohlen, zum Beispiel über Jodtabletten oder sehr jodreiche Lebensmittel. Das gilt auch bei der Hashimoto-Thyreoiditis, einer autoimmunbedingten Schilddrüsenentzündung, bei der es manchmal zu einer kurzfristigen Überfunktion, durch den schleichenden Untergang von Schilddrüsengewebe meist aber zu einer dauerhaften Unterfunktion kommt.
Die chronische Hashimoto-Thyreoiditis ist noch vor chronischem Jodmangel die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion. Da der Energieumsatz in den Zellen vermindert ist, sinkt der Grundumsatz des Körpers und damit der Energiebedarf. Patienten nehmen deshalb schneller zu. Bis sie medikamentös eingestellt sind oder die Ursache der Unterfunktion behoben ist, hilft eine kalorienreduzierte, aber nährstoffreiche Ernährung, das Gewicht zu halten. Ist die Unterfunktion auf Jodmangel zurückzuführen, wird eine jodreiche Ernährung empfohlen.
Bei der Unterfunktion aufgrund einer entzündlichen Hashimoto-Thyreoiditis sollte dagegen eine hohe Jodzufuhr vermieden werden. „Häufig werden selenreiche Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel empfohlen, da Selen und andere antioxidativ wirkende Substanzen die Entzündung günstig beeinflussen können“, sagt Zieren. „Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass sich dadurch in der Tat bestimmte Blutwerte wie die typischen Antikörper verbessern können, ob das auch auf Dauer zu einem spürbaren Nutzen für den Patienten führt, ist allerdings bislang unbewiesen und wird von vielen Experten bezweifelt.“
Vergleichbares gilt auch die antioxidativ wirkenden Vitamine A, C und E, sekundäre Pflanzenstoffe sowie Omega-3-Fettsäuren bei, die mit einer ausgewogenen Ernährung zugeführt werden. Eine Hypothyreose geht zudem in etwa 60 Prozent der Fälle mit einem Eisenmangel einher. Eisen ist Bestandteil des Enzyms Schilddrüsen-Peroxidase (TPO), das bei der Bildung von Schilddrüsenhormonen mitspielt. Eisenmangel kann deshalb eine Unterfunktion verstärken. Da gleichzeitig die Aufnahme von Eisen verschlechtert ist, sollten Betroffene auf eine Ernährung mit eisenreichen Lebensmitteln wie Fleisch, grünes Gemüse oder Beeren achten.
Manche Lebensmittel enthalten Substanzen, die die Kropfbildung bei Hypothyreose verstärken können, indem sie die Hormonbildung oder die Aufnahme von Jod in die Schilddrüse hemmen. Dabei ist von Goitrogen-reichen Lebensmitteln die Rede, abgeleitet vom englischen Begriff „groiter“ für Kropf. Beim Kochen verlieren die Substanzen in der Regel ihre Wirkung. Patienten mit einer Schilddrüsenvergrößerung ist zu empfehlen, entsprechende Lebensmittel nicht übermäßig oder einseitig zu verzehren. „Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung sind sie in Maßen genossen aber kein Problem“, sagt Zieren.
Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass der Verzicht von Gluten bei Patienten mit einer Glutenunverträglichkeit und einer zusätzlichen Hashimoto-Thyreoiditis auch die Schilddrüsenwerte verbessern kann. Die chronisch-entzündlichen Prozesse können zu Magen-Darm und Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen. Betroffene könnten deshalb von einer glutenfreien oder -armen Kost profitieren. Der Nutzen einer entsprechenden Ernährungsintervention muss jedoch noch weiter erforscht werden. Ebenso der Verzicht von Lactose oder der Verzehr von echtem Schwarzkümmel (Nigella sativa). Auch hier gibt es Hinweise, dass Betroffene davon profitieren könnten.
Quelle: Barbara Döring, PTA-Forum (2023), https://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/was-die-schilddruese-braucht-142709/
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